
Schiebst Du schwierige, unangenehme oder langweilige Aufgaben manchmal vor Dir her? Manchmal fällt es schwer, mit einer wichtigen Aufgabe (wie z. B. dem Schreiben an der Abschlussarbeit oder dem Lernen für eine Klausur) anzufangen oder nach längerer Pause wieder einzusteigen.
Was kannst Du tun, wenn Du seit Tagen oder Wochen gute Vorsätze hast, aber einfach nichts passiert oder Du immer wieder abgelenkt wirst?
Strukturierte Prokrastination
Suchst Du nach einer Lösung, wie Du Dir diese lästige Angewohnheit schnellstmöglich abgewöhnen kannst? Vielleicht musst Du das gar nicht, sondern kannst Deinen Hang zum Aufschieben auch produktiv nutzen, um regelmäßig an den Dingen zu arbeiten, die Dir wirklich wichtig sind (z. B. an Deiner Abschlussarbeit). Wäre das nicht traumhaft?
Dann ist vielleicht das Konzept der strukturierten Prokrastination etwas für Dich: Der emeritierte Stanford Professor John Perry schlägt vor, einfach nur die richtige Aufgabe ganz oben auf die Dringlichkeits-Liste zu setzen. Während Du dann diese vermeintlich gaanz wichtige Aufgabe aufschiebst, kannst Du ganz viele produktive Dinge tun.
Wie soll das funktionieren?
Das Prinzip ist eigentlich allgemein bekannt: Bei vielen Studierenden, die zur Prokrastination neigen, ist z. B. die Wohnung nie so sauber und aufgeräumt wie in der Klausurphase. Während Du eigentlich Literatur für eine Hausarbeit recherchierst, planst Du schonmal bis ins Detail Dein Auslandssemester oder Du recherchierst Karriereoptionen, während Du eigentlich dringend diesen einen nervigen Behördengang erledigen müsstest. Während des Aufschiebens tun wir also durchaus sinnvolle Dinge, nur eben nicht das, was wir eigentlich tun wollten. Kommt Dir das bekannt vor? Dann könnte strukturierte Prokrastination für Dich gut funktionieren bzw. machst Du das ja eigentlich schon. Der Clou ist nur, dass Du jetzt eben bewusst entscheidest, welche Aufgabe ganz oben auf der Liste steht (und damit hinten runter fällt, weil Du sie aufschieben wirst) und welche Aufgaben Du dann erledigst, während Du die Nr. 1 auf der Liste erfolgreich aufschiebst.
Welche Aufgaben eignen sich denn nun besonders gut für den Logenplatz auf Deiner To-Do-Liste?
Das sind Aufgaben, die scheinbar wichtig und/oder dringend sind, die Dir persönlich aber eben eigentlich doch nicht so wichtig sind, deren Deadline sich notfalls ohne negative Folgen verschieben lässt oder die Du, wenn es sein muss, eben auch unter Zeitdruck noch irgendwie erledigen kannst. Wenn Du eigentlich gerne an Deiner Abschlussarbeit arbeiten oder für eine Klausur lernen möchtest, dann lade Dir für die kommende Woche Besuch ein, den Du nicht in Deine ungeputzte/unaufgeräumte Wohnung lassen würdest. Während es dann an Dir nagt, dass Du jetzt aber endlich mal gründlich putzen müsstest, kannst Du genüsslich aufschieben und an den Dingen arbeiten, die Dir eigentlich wichtig sind. Das Putzen/Aufräumen machst Du dann mit einigen Abstrichen noch schnell, kurz bevor es an der Tür klingelt.
Vielleicht musst Du für Deine Abschlussarbeit auch noch ein paar Formalitäten (dringend!!!) erledigen, für die es entweder keine feste Deadline gibt oder die Du auch kurz vor der Deadline noch zügig erledigen kannst. Die kannst Du Dir dann mit vielen Ausrufezeichen ganz oben auf die Prioritätenliste setzen. Achte aber natürlich darauf, dass Du nicht wirklich eine wichtige Deadline verpasst. Alternativ kannst Du auch ein Hobby-Projekt nehmen, das Du schon ganz lange vor hast und endlich mal machen willst (endlich zum Akrobatik-Kurs anmelden, die Stola fertig häkeln, das 1000-Teile-Puzzle lösen, vegane Kohlrouladen zaubern oder eine neue Programmiersprache lernen). Wenn Du dann durch Prokrastination dieses Hobby-Projektes erfolgreich die Klausur bestanden oder die Abschlussarbeit eingereicht hast, kannst Du die Prioritäten wieder verschieben. Während Du dann eigentlich total dringend XY tun müsstest, kannst Du Dich z. B. endlich Deinem neuen oder wiederentdeckten Hobby widmen.
Aber ist das nicht Selbstbetrug?
Kann schon sein. Aber ist Prokrastination das nicht immer ein bisschen? Mit dem kleinen Trick, die richtige Aufgabe an die erste Stelle zu setzen, kannst Du dafür sorgen, dass nicht immer dieselben Aufgaben unter der Aufschieberitis leiden, obwohl Dir diese Aufgaben eigentlich wichtig sind. Du kannst es ja mal ausprobieren und schauen, ob Dich diese Methode weiterbringt.
Wenn Du es lieber langfristig angehen und den Ursachen für das Aufschieben auf den Grund gehen möchtest, dann schau Dir unbedingt mal Jutta Wergens Blogartikel Prokrastination ist eine Lösung an. Der Artikel richtet sich zwar an Promovierende, aber die Botschaft ist universell.
Das produktive Prokrastinieren hat nämlich auch Nachteile: Das konstant schlechte Gewissen des „eigentlich müsste ich…“ schlaucht auf Dauer und macht unzufrieden. Und es kann sein, dass einige Aufgaben auch mit Spielereien der Prioritätenliste dauerhaft liegen bleiben – weil Du Angst davor hast, alleine nicht weiter weißt oder das eigentlich gar nicht machen willst.
Als kurzfristige Lösung ist die produktive Prokrastination aber vielleicht trotzdem besser, als nur den Zufall entscheiden zu lassen, welche Aufgaben erledigt werden und welche dauerhaft auf dem ersten Listenplatz festkleben.
11 Tipps, wie Du schnell aus der Prokrastinationsfalle herauskommst
1. Arbeite mal woanders!
Du kannst z. B. statt am heimischen Schreib- oder Küchentisch in einer Bibliothek arbeiten oder Dir zu Hause einen neuen festen Arbeitsplatz einrichten. Egal, wenn es nicht für alle Aufgaben möglich ist, weil Du dafür zu viel mitnehmen müsstest. Dann machst Du erstmal nur einzelne Aufgaben an einem anderen Ort wie z. B. Notizen machen, lesen, überarbeiten, oder mal einen Text ins Blaue schreiben.
2. Verabrede Dich zum Schreiben!
Du kannst Dich mit einer anderen Person treffen, die auch etwas schaffen will. Das geht auch virtuell, wenn Ihr an unterschiedlichen Orten arbeitet.
3. Nutze die Pomodoro-Technik!
Lege fest, woran Du arbeiten willst und arbeite dann 25 Minuten lang ausschließlich an dieser Aufgabe. Du kannst einen Küchenwecker oder eine App verwenden, um die Zeit zu stoppen. Dann machst Du 5 Minuten Pause, bevor Du die nächste Einheit startest. Nach spätestens 4 Einheiten aber unbedingt eine längere Pause machen, damit Du fit bleibst 🙂 Wenn Dir das Anfangen ganz besonders schwer fällt, dann mach doch erstmal nur eine einzige Pomodoro-Einheit. Denn wie schlimm kann es in 25 Minuten schon werden? Wenn das immer noch zu schwierig erscheint, plane 10 Minuten ein. Das schaffst Du!
In diesem Beitrag erfährst Du, wie Du die Pomodoro-Technik optimal für Dich nutzen kannst.
4. Teile Dir den großen Berg ein kleine Etappen ein!
Aufgaben wie „Kapitel X schreiben“ können sich bedrohlich oder unmöglich anfühlen. Dann hilft es, die Aufgabe in kleine Teilschritte zu unterteilen. Nimm Dir Stift und Zettel oder öffne ein Dokument und liste auf, welche kleinen Teilschritte dazugehören, z. B. Literatur besorgen, bestimmte Texte lesen, Stichpunkte machen, Kapitelstruktur visualisieren, einen unklaren Punkt mit der Betreuung besprechen, über Formalitäten informieren, Rohversionen von einzelnen Teilabschnitten schreiben, überarbeiten, jemanden um Feedback bitten, Feedback einarbeiten…. Und immer wenn Dir ein Teilschritt zu groß erscheint, versuche in auf kleinere Schritte herunterzubrechen – notfalls bis auf die Ebene „Word Dokument erstellen und abspeichern“ oder „Rechner hochfahren“, wenn es dann leichter fällt.
5. Tausche Dich aus!
Vielleicht fühlst Du Dich alleine in Deiner Situation und hast noch niemandem erzählt, dass Du gerade Schwierigkeiten hast, anzufangen. Wem könntest Du davon erzählen? Vielleicht geht es Kommiliton*innen von Dir ganz ähnlich, aber niemand redet darüber. Du kannst auch Leute um Hilfe bitten, die schonmal eine Abschlussarbeit geschrieben haben. Was fanden sie damals hilfreich?
6. Mach es erstmal schlecht!
Oft kann der Druck, ein perfektes Ergebnis abliefern zu wollen, sehr hinderlich sein. Mach doch das was Du vorhast erstmal so richtig grottenschlecht! Dann kannst Du das Ergebnis entweder schrittweise überarbeiten oder daraus lernen, was Du in einer späteren Version besser machen willst und wie Du das anstellen könntest.
7. Verpflichte Dich!
Erzähle anderen, was Du wann machen willst z. B. „Ich will heute mindestens 3 Sätze schreiben.“ oder „Ich möchte bis heute Abend mindestens 1 Seite gelesen haben.“ Dann musst Du Dich wirklich hinsetzen, wenn Du unangenehme Nachfragen vermeiden willst. Du kannst auch jemanden bitten, Korrektur zu lesen und dafür einen festen Termin verabreden. Oder Du vereinbarst eine Deadline mit Deiner Betreuung.
8. Such Dir ein Vorbild!
Wen bewunderst Du? Wer würde die Aufgabe, die gerade vor Dir liegt, bestimmt gut hinbekommen? Das kann eine berühmte Person sein, jemand fiktives, eine historische Figur oder jemand aus Deinem Bekanntenkreis oder Deiner Familie. Überlege, was diese Person jetzt konkret tun würde, wenn sie vor derselben Aufgabe stünde.
9. Distanziere Dich innerlich von Deiner Aufgabe!
Das Anfangen kann schwierig sein, weil die Arbeit an einer Aufgabe emotional aufgeladen ist oder das Ergebnis eng mit Dir als Person verknüpft ist. Dann kannst Du Dir vorstellen, dass Du die Aufgabe gar nicht für Deine eigene Bachelor- oder Masterarbeit erledigst, sondern als Auftragsarbeit für jemand anderes. Oder Du stellst Dir vor, Teilnehmer*in an einer psychologischen Studie zu sein, bei der Du als Aufgabe etwas schreiben musst. Oder Du konzentrierst Dich selbst darauf, Deinen eigenen Schreibprozess neugierig zu erforschen, aber nicht zu bewerten („aha, interessant, wenn das Handy piept, habe ich den Drang, sofort nachzuschauen“; „mir beim Lesen Notizen zu machen, fällt mir leicht“; wenn ich das Gefühl habe, keine gute Formulierung finden zu können, beschäftige ich mich damit sehr lange“).
10. Durchbreche Deine Gewohnheiten!
Nicht mit einer Aufgabe anzufangen oder sich von bestimmten Dingen ablenken zu lassen, kann auch zur lästigen Gewohnheit werden. Übe Dich im Alltag darin, Dinge auch mal anders zu machen und putze z. B. mal Deine Zähne in einer anderen Reihenfolge oder nimm einen anderen Weg oder ein anderes Fortbewegungsmittel zur Arbeit oder zum Einkaufen. Und dann überlege, welche Kleinigkeiten Du anders machen könntest, wenn Du Dich an Deine Abschlussarbeit setzt (Wobei auch das Sitzen eine Gewohnheit sein kann. Warum nicht mal im Stehen arbeiten, sofern Dir das körperlich möglich ist…).
11. Überlege, welche Vorteile es Dir bringt, die Aufgabe aufzuschieben!
Schau Dir dazu am besten auch mal diesen Blogartikel von meiner Kollegin Jutta Wergen an. Wenn Dir das Aufschieben gar keine Vorteile bringen würde, dann würdest Du es vermutlich nicht tun. Überlege auch, wie Du diese Vorteile auf andere Weise erreichen könntest.
Welche 3 Tricks möchtest Du in der kommenden Woche ausprobieren, um endlich loszulegen? Nutze gerne das Kommentarfeld, um Dich sozial zu verpflichten!
1. Den großen Berg in (sehr) kleine Unteraufgaben einteilen
2. Dich zum Lernen oder Schreiben verabreden
3. Erstmal nur 2 Min. mit der Aufgabe anfangen – danach darfst du weiter aufschieben 😉
Aufschieben kann verschiedene Gründe haben. Vielleicht ist die Aufgabe nicht klar genug definiert, vielleicht hast du Angst, etwas falsch zu machen oder die Aufgabe ist langweilig. Auch psychische Störungen wie Depressionen, Ängste oder ADHS können Aufschieben begünstigen.