Jeder wissenschaftlichen Arbeit liegt eine spezifische Fragestellung zugrunde. Die Fragestellung ist das Kernstück einer wissenschaftlichen Arbeit und bildet die Grundlage für den berühmten „roten Faden“, der sich idealerweise durch die Arbeit ziehen soll.
Jeder Teil der Arbeit bezieht sich auf die Fragestellung: In der Einleitung zeigst Du auf, warum die Fragestellung relevant ist, welche Forschung es bereits dazu gibt und warum diese Forschung unzureichend ist (hier kommt Deine Arbeit ins Spiel). Im Theorieteil stellst Du auf der Basis bisheriger Theorien und Befunde eine Theorie darüber auf, wie die Fragestellung wahrscheinlich zu beantworten ist. Daraus leitest Du dann nochmal Hypothesen oder spezifischere Fragestellungen ab. Im Methodenteil legst Du dar, wie Du die Fragestellung untersuchen wirst und warum die gewählte Methode gut geeignet ist. Im Ergebnisteil zeigst Du, welche Antwort(en) auf die Fragestellung Deine Daten oder Dein Literaturreview nahelegen. Im Diskussionsteil ordnest Du die spezifischen Ergebnisse in den Kontext der bisherigen Literatur ein, beleuchtest sie kritisch und leitest theoretische und praktische Empfehlungen ab. Die Fragestellung taucht also überall auf und ist eine wichtige Grundlage.
Wie grenze ich meine Fragestellung ein?
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die Fragestellung einzugrenzen.
- Population eingrenzen. Egal, ob Du Menschen, Gebäude, Maschinen oder etwas anderes beforschst – Du kannst z. B. auf berufstätige Eltern, Mehrfamilienhäuser in einer bestimmten Bauweise oder 3-D-Drucker eingrenzen.
- Konstrukt weiter eingrenzen. Wenn Du die Auswirkungen von Traumatisierung untersuchst, kannst Du z. B. noch die Art der traumatischen Erfahrungen einschränken (denn deren Auswirkungen können ja durchaus unterschiedlich sein), z. B. Verlusterfahrungen, Gewalterfahrungen oder sexueller Missbrauch.
- Kontext eingrenzen. Z. B. kann sich Deine Fragestellung auf einen bestimmten Zeitraum, einen geographischen Bereich, einen Kulturkreis oder eine Branche beziehen.
▶︎ ▶︎Checkliste wissenschaftliche Fragestellung (Pdf)
Was sollte ich bei der Formulierung der Fragestellung beachten?
- Formuliere die Fragestellung möglichst konkret. Es sollte deutlich werden, welche (messbaren) Konstrukte Du untersuchen willst. „Welchen Zusammenhang gibt es zwischen Traumatisierung in der Kindheit und Verhalten in Paarbeziehungen?“ ist z. B. zu allgemein. Traumatische Erfahrungen könnten sich ja auf alle möglichen Aspekte von Paarbeziehungen auswirken, z. B. auf Bindung, Konfliktverhalten, Kommunikation, Zufriedenheit, sexuelle Treue oder die Dauer der Beziehung. Formuliere also konkret, worum es gehen soll.
- Die Fragestellung sollte leicht verständlich sein. Versuche es erstmal ohne Fachbegriffe und komplizierte Formulierungen und hole Dir Feedback.
- Wähle die Fragestellung so, dass sie sich mit den Dir zur Verfügung stehenden Mitteln gut untersuchen lässt. Wenn Du eine Literaturarbeit planst, stelle sicher, dass es genügend Studien gibt, die Deine Frage untersucht haben. Wenn Du eine spezielle Personengruppe befragen willst, überlege, wie Du zu dieser Gruppe Zugang bekommst. Wenn Du eine Formulierung wählst wie „Wie wirkt sich X auf Y aus?“ würde man eine experimentelle Studie erwarten, um den Kausalzusammenhang zu testen. Das geht bei einigen Themen nicht bzw. es wäre ethisch nicht zu verantworten (z. B. wenn es um die Auswirkungen von Traumatisierung geht). Dann sollte sich auch die Fragestellung lediglich auf Zusammenhänge beziehen.
- Die Fragestellung sollte etwas allgemeiner sein als Deine spezifische Untersuchung, damit sie von allgemeinem Interesse ist. Also z. B. nicht „Wie geht das Pflegepersonal des XY-Krankenhauses mit emotionalem Stress um?“, auch wenn Du aus praktischen Gründen nur an diesem einen Krankenhaus erheben willst. Dass die Stichprobe nicht repräsentativ ist, ist dann einfach eine Einschränkung Deiner Studie.
- Die Fragestellung sollte sich nicht mit Ja oder Nein beantworten lassen. Spezifische Hypothesen stellst Du ja erst später auf. Gute Frage-Anfänge sind z. B. „Inwieweit…“, „Welche Strategien/Risikofaktoren/Schutzfaktoren/Gründe…“, „Wie…“.
Achte in wissenschaftlichen Texten, die Du liest, mal gezielt auf die Fragestellung (die nicht immer explizit formuliert sein muss). So findest Du (gute, schlechte und mittelmäßige) Beispiele, an denen Du Dich orientieren kannst.
Eine gute Fragestellung zu formulieren kann manchmal ganz schön knifflig sein. Dabei kann ich Dich auch unterstützen. Die Fragestellung gemeinsam einzugrenzen schaffen wir in der Regel innerhalb einer Coaching-Stunde. Oder manchmal hast Du dann zwei Optionen, zu denen Du noch recherchierst und Dich dann entscheidest.